Der Spaghetti-Code zum Schluss
Stefanie Henggeler (RigiPost)
Berührt: Sichtlich berührt lauschte Urs Heiniger dem Lied «Ich wünsche dir» mit spezieller Strophe nur für ihn. (Foto: Stefanie Henggeler)

Pfarrer Urs Heiniger wurde pensioniert

Viele Emotionen prägten den letzten Gottesdienst von Urs Heiniger. Mit sehr persönlichen Worten verabschiedete er sich von seiner Gemeinde und gab er den Kirchentürschlüssel zurück.
27 Jahre lang begrüsste Pfarrer Urs Heiniger vor Gottesdienstbeginn immer alle Besuchenden, kannte praktisch alle beim Namen und hatte immer ein paar persönliche Worte übrig. Am Sonntag, 30. Juni, durfte er besonders viele Hände schütteln. Die 1900 erbaute Kirche in Oberarth war mehr als gut gefüllt, sogar zusätzliche Stühle wurden herangeschafft.

Am 1. Oktober 1997 hat Urs Heiniger mit seinem Wirken in der reformierten Kirchgemeinde Art-Goldau begonnen. Der St. Galler – sein Dialekt hat er nie ganz verloren – fühlte sich zusammen mit seiner Frau bald wohl in unserer Gemeinde, und schon bald wusste man: Der hat jederzeit ein offenes Ohr! Ein menschlicher Pfarrer, gesellig und wortgewandt mit viel psychologischem Geschick.

Ob schon alle wach für diesen Gottesdienst an diesem besonderen Morgen seien, fragte Urs Heiniger nach der Stimmung unter den Anwesenden, und: «Oder Sie scho all heiss?» Er versprach, «es werde nicht kühler, schon gar nicht emotional kühler». Im Vorfeld habe gefragt, ob er überhaupt einen Gottesdienst vorbereiten solle, und es hiess «mach einfach so wie immer. Aber sei gefasst auf alles.» Und so griff Urs Heiniger ein letztes Mal zu seinem schwarzen Buch.

Wer Urs Heiniger je in seinem Element erlebt hat, der weiss – eine kurze Zusammenfassung des ganzen Abschiedsgottesdienstes ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Urs Heiniger verstand es immer, Metaphern zwischen Gottes Worten und der heutigen Welt zu spannen, oft mit viel Augenzwinkern und immer mit einer gewaltigen Prise an Charme. Ihm zuzuhören, fiel einfach leicht, unabhängig von Religionszugehörigkeit.

Musikalisch wurde der Abschiedsgottesdienst durch Sepp Berlinger und Jonathan Prelicz stimmig musikalisch untermalt wurde.

Der 1. Korintherbrief

Paulus sagte einst: «Glaube, Liebe, Hoffnung – diese drei. Die Liebe aber ist die grösste unter ihnen.» (1. Kor 13,13). Der 1. Brief des Paulus an die Korinther aus dem Neuen Testaments liege ihm sehr am Herzen und habe ihn geprägt, verriet Urs Heiniger. «Redet miteinander, denkt zusammen nach, haltet Einspruch und hört trotzdem hin», gab er seine Erkenntnisse daraus der Gemeinde mit auf den Weg. «Wenn ich keine Liebe habe, bin ich nichts. Alles Gut dieser Welt nützt nichts, wenn man keine Liebe hat.»

Und dann kam der jetzige Pastor emeritus – schon von allen neugierig erwartetet – auf den Spaghetti-Code, dem Motto des Gottesdienstes, zu sprechen, als sein persönliches Beispiel für Entwicklung und Erfahrung. «Was zusammengehört, muss nicht unbedingt zusammenkleben», begann er einleitend. In der Cevi, der christlichen internationalen Kinder-, Jugend- Frauen- und Männerorganisation, habe er in den erlebnisreichen Lagern das Spaghettikochen gelernt. Spaghettis kleben bekanntlich gerne aneinander. Sein Freund Hese – übrigens an diesem besonderen Gottesdienst überraschend auch anwesend – sei ein begnadeter Koch gewesen, sodass viele Mütter staunend dagestanden seien und ihn fragten, warum einerseits die Sauce so gut sei und vor allem, warum seine Spaghetti nie aneinanderkleben würden. Und er verriet nur: Das sei eben der Spaghetti-Code. Der sei übrigens auch auf der Cevi-Gürtelschnalle festgehalten: Johannes 17,21. Manchmal muss man nicht alles verraten.

Standing Ovations für den Pfarrer

Urs Heiniger bat Kirchgemeinderatspräsident Peter Dürrenmatt nach vorne zur offiziellen Schlüsselrückgabe – es sei der originale Schlüssel von der damaligen Kirchentür.

Emotionale Dankesworte gingen an seine Frau Corina, die ihn jederzeit unterstützt hatte, auch wenn er plötzlich weg musste wegen eines Todesfalls, und an seine ganze Familie, die selbstredend anwesend war. Auch der Gemeinde sprach er tiefen Dank aus, für das Vertrauen und Wohlwollen und die Freundschaft, dass er alles keineswegs als Selbstverständlich erachte. Und auch die überkonfessionelle freundschaftliche Verbundenheit und Zusammenarbeit in der Gemeinde Arth sei enorm bereichernd gewesen.

Die Fürbitten wurden durch Dominique Schmid auf Urs Heiniger persönlich abgestimmt und sorgten für einen weiteren berührenden Moment.

Zuletzt ergriffen Erhard Jordi von der Kantonalkirche Schwyz und Peter Dürrenmatt das Wort. 950 Jahre alt sei Noah geworden, heisst es in der Bibel. «Und du willst dich pensionieren lassen?» fragte Erhard Jordi Urs Heiniger und dankte ihm für sein Wirken. Als Abschiedsgeschenk übergab er ein Victorinox-Sackmesser «zum go brätle» und natürlich eine Wurst dazu und das passende Bier «Heiteres Kloster». Peter Dürrenmatt übergab einen riesigen Blumenstrauss, der gleich an Urs Heinigers Frau weitergereicht wurde.

Dass der Gottesdienst ein wenig länger war als üblich, nahm niemand krumm. Mit dem Lied "I wünsche dir" und Standing Ovations verabschiedete die Gemeinde einen sichtlich gerührten Urs Heiniger in den Ruhestand.

Programm mit Überraschungen

Wohl auch Petrus musste ob dem Abschied von Urs Heiniger Tränen verdrücken – unter den Klängen des Jodlerclubs Männertreu Oberarth zog die Prozession bei Regen zum Kirchgemeindehaus. Beim Apéro wurde angestossen, ein Alphorntrio spielte auf. Ein grosser Teil der Gemeinde genoss das anschliessende Mittagessen und den gemütlichen Teil mit mehreren Überraschungen und Darbietungen.
30.06.2024 RP
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Fotograf/-in Stefanie Henggeler
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Bereitgestellt: 05.07.2024, Peter Rytz